18. April 2013

Putin will sich warm anziehen - Ostsee-NGOs weiter marginal

So spektakulär wie Anfang April in Hannover hat noch keine Industriemesse in Deutschland begonnen: erstaunlich nahe an den Mächtigen und erstaunlich laut. Putin wird in der "Tagesschau" mit den Worten zitiert: "Ich finde, wenn man politisch diskutieren will, dann sollte man sich doch besser etwas anziehen." Oder auch: „Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion.“

Nützliche Aufmerksamkeit?
Wenn es darum ginge, lediglich den Gesetzmäßigkeiten der öffentlichen Aufmerksamkeit zu folgen, dann könnten die im Rahmen nichtstaatlicher Organisationen Engagierten wohl zufrieden sein: der Drang nach großen Schlagzeilen wurde befriedigt, und kurzfristig konnten sich - per TV, Internet oder Twitter - viele solidarisch fühlen mit den FEMEN-Aktivistinnen. Eine Bundeskanzlerin mahnt die "freie" Arbeit der Nichtregierungsorganisationen (engl.=NGOs) an - was will mann und frau mehr? Ein Blick auf die Alltagsarbeit der NGOs rund um die Ostsee zeigt schnell, dass Bürgerengagement noch sehr weit davon entfernt ist, öffentlich anerkannt zu werden. Auch in Deutschland.

Politische Nützlichkeit
Eines haben Politikerinnen und Politiker offenbar gelernt in den vergangenen Jahren: sowohl die Existenz von nichtstaatlichen Organisationen wie auch die ständige Betonung ihrer Wichtigkeit sind heute fast unverzichtbarer Bestandteil der politischen Argumentation in denjenigen Staaten, die sich als "Bastion der Demokratie" empfinden. Allerdings: das nähere Hinschauen lohnt sich. Politisch erwünscht - und von manchen Regierungen nahezu herbeigesehnt - ist die Teilnahme von möglichst mitgliederstarken Organisationen an der Absicherung von Regierungsentscheidungen. Weniger erwünscht dagegen ist es, wenn sich Bürgerinnen und Bürger allzu sehr daran gewöhnen, ihre Wünsche und Bedürfnisse allzu sehr auf anderem Wege auszudrücken als nur durch ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel. Denn auch in Deutschland funktioniert "nichtstaatliche Demokratie" bisher nur von oben nach unten: Politische "Entscheider" sind froh, wenn ihnen kundige Vermittler NGO-Repräsentanten zur Kooperation anbieten können, wodurch Regierungshandeln dann als "in Diskussion mit der Zivilgesellschaft" entstanden gerechtfertigt werden kann - und dies kann dann wirksam gegen andere "Querulanten" eingesetzt werden. Nur, auch bei kurzzeitiger Einbeziehung von öffentlich bekannten NGOs bleibt ein Problem: sofern der einzelne Bürger und die Bürgerin nicht konkret Möglichkeiten der Beteiligung an demokratischen Entscheidungsprozessen sehen, wird der gewünschte Effekt nicht eintreten. Solange auch nur "NGO-Funktionäre" beteiligt werden, und nicht Bürgerinnen und Bürger, wird immer der Geruch vom "Gekungel der Mächtigen" bleiben. Und der Selbstlob von Angestellten der großen deutschen NGOs, der gezwungenermaßen in die Jahresberichte einfließen muss, hat etwas doppeldeutiges: solange die eigene NGO nicht an solchen Treffen mit den Regierungsvertretern teilnehmen darf wird kritisiert, im umgekehrten Fall allerdings ist man offenbar schon allein wegen der Berücksichtigung stolz (und vergisst die zu fordernden Inhalte) - seht mal, wir sind wichtig genug uns mit Ministern treffen zu dürfen. Die Diskussion der notwendigen Kleinarbeit zwischen den gesellschaftlichen Ebenen aber findet auch auf NGO-Ebene kaum statt - schon wegen der fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten für solche Projekte. "Dabei sein ist alles" sagen sich die einen - und diskutieren schon absichtlich nicht mit anderen NGOs, die also offenbar "nicht wichtig genug" sind. Spalten statt vereinen. 

Der neue Trend der Ostseekooperation: Spalten statt vereinen
Vor inzwischen zwölf Jahren wurden die Strukturen der NGO-Kooperation im Ostseeraum scheintbar neu sortiert: das deutsche Außenministerium verwandte erhebliche - vor allem diplomatische - Anstrengungen auf das vom Auswärtigen Amt zusammen mit einigen deutschen Stiftungen organisierten "First Baltic Sea NGO FORUM". Die Nummerierung blieb dabei lange Zeit umstritten, denn vor allem auf dänische Initiative hin hatten sich ostseeweit bereits vorher NGOs zum Gedankenaustausch getroffen. Das Auswärtige Amt aber wollte die Entscheidungsgewalt über das, was im Rahmen dieser Konferenz als Ergebnis herauskam, keinesfalls aus der Hand geben: sowohl der Vorbereitungsprozeß wie auch die Endredaktion der Abschlußerklärung blieb allein in der Entscheidungsgewalt eines hohen Beamten des Auswärtigen Amts (Hans-Jürgen Heimsoeth), der sich in Lübeck der Teilnahme auch von Wirtschaftsvertretern und der Wissenschaft sicher sein konnte (was in Deutschland ebenfalls als Voraussetzung von "NGO-Beteiligung" gilt: keine Mitsprache ohne begleitendes wissenschaftliches Gutachten, kein Nachweis von Praxisnähe ohne Zustimmung der Wirtschaft).

Womit zumindest die deutsche Seite damals vielleicht nicht gerechnet hatte war, dass der Verständigungsprozeß zwischen aktiven Ostsee-NGOs bereits soweit gediehen war, dass es die NGOs nun tatsächlich selbst in die Hand nahmen und sich für ein jährlich stattfindendes BALTIC SEA NGO FORUM einsetzen: mit wechselnden Themenschwerpunkten, je nach Gewichtung der nationalen Gastgeber-NGOs. Neben der Selbstorganisation trat die interdisziplinäre Arbeit damals als Qualitätskriterium für solche Treffen in den Vordergrund: wenn Umweltschützer auf Kulturleute, Menschenrechtler auf sozial Engagierte, oder Frauenrechtlerinnen auf Aktive aus der Entwicklungszusammenarbeit treffen - es gibt neue Chancen für gegenseitige Inspirationen, sofern es gelingt eine gemeinsame Kommunikationsbasis zu finden.

Vom allgemeinen Netzwerkgedanken zum gezielten
Arbeiten an fachlichen Kontakten - hier am Beispiel
des "EU-Russland-Forums"
Doch die NGO-Arbeit rund um die Ostsee scheint sich inzwischen in eine andere Richtung zu entwickeln. Deutschen Regierungsstellen war der erwähnte interdisziplinäre Diskussionsprozeß sowieso eher ein Dorn im Auge - schon wegen des erwähnten festgeschriebenen Vorrangs von Wissenschaft und Wirtschaft. Vor allem die NGOs östlich der Ostsee entwickelten sich weiter. Die seit 2007 schwieriger gewordene Wirtschaftslage beschleunigte diesen Prozeß und nahm durchaus das vorweg, was momentan bezüglich Russland diskutiert wird: wo der normale Bürger eher ums Überleben kämpfen muss, wie kann es da sein dass einige als "NGO-Funktionäre" offenbar ein gutes Auskommen haben? So galten die von der Soros-Stiftung geförderten Initiativen und Projekte plötzlich in der innenpolitischen Diskussion als "Soroshisten" - und gerieten gleichzeitig in den Ruf, mit dieser Finanzierung aus dem Ausland auch die Zielrichtung ihres Handelns an mysteriöse ausländische Interessen abgegeben zu haben.
Geradezu im Gegensatz zur NGO-Tradition einiger westlicher Staaten winkte da ein Rettungsanker, der nach westlichem Verständnis unabhängiger Meinungsbildung geradezu kontraproduktiv erscheint: in Absprache mit zuständigen Regierungsstellen entstand eine eigene, nationale NGO-Förderung, die in möglichst großer Übereinstimmung mit den politischen nationalen Interessen agiert. Nach eigenem Verständnis "NGO-Lobbyarbeit" betreibend, lassen sich nun einige wenige hauptamtliche NGO-Lobbyisten auch im Ausland vorzeigen, denn sie orientieren sich nahezu ausschließlich an den nationalstaatlich vorgegebenen Handlungsfeldern.

Im Ergebnis wirkt es nur logisch, dass es heute gemeinsame Zielvorstellungen von NGOs im Ostseeraum nicht mehr gibt: sowohl das Element der Selbstorganisation wie auch die interdisziplinäre Diskussion ist verloren gegangen.

Vielfalt sortieren: Die Guten ins Töpfchen ...
Tatsache aber ist, dass bürgerschaftliches Engagement rund um die Ostsee durchaus unterschiedlich aussieht. Und Tatsache bleibt auch, dass der möglichst für seine Interessen engagierte Bürger immer noch nicht das Ziel der Anstrengungen ist.

Während der deutschen Präsidentschaft im Ostseerat wurde 2012 nahezu 200.000 Euro allein dafür ausgegeben, "das deutsche NGO-Ostseenetzwerk zu restrukturieren und zu erweitern sowie im Frühjahr 2012 im Rahmen der deutschen Ostseeratspräsidentschaft das traditionelle NGO-Forum zu organisieren" (Zitat gemäß Selbstdarstellung der "Forschungsgruppe Nordeuropäische Politik"). Dank dieses erneuten amtlichen Auftrags von höchster Stelle konnten zwei hauptamtliche (und wissenschaftlich ausgebildete!) Kräfte diese "Rekonstruktion" gezielt so betreiben, dass zumindest die Teilnahme einiger NGOs auf dem "Baltic NGO Forum 2012" in Berlin teilnahmen - um die restlichen, "unwilligen" Ostsee-NGOs kümmerte man sich erst gar nicht. Damit wurden Arbeitsverhältnisse erreicht, wovon sonst nur schwedische NGOs träumen können (deren Arbeit ihrem eigenen Selbstverständnis nach auch nur dann etwas wert ist, wenn sie angemessen bezahlt wird).

Ein Jahr später ist ist vielleicht Anlaß genug, Bilanz zu ziehen. Wer auf der Webseite des Auswärtigen Amtes das Stichwort "Ostsee NGO" eingibt, bekommt nach wie vor lediglich das Programmheft der "Ostseetage 2012" geboten. Von einem "rekonstruierten NGO-Netzwerk" ist nirgendwo die Rede - nicht einmal ein Hinweis auf das gerade in diesen Tagen in St.Petersburg organisierte "XI Baltic Sea NGO FORUM" ist zu finden. Abgesehen davon, dass es offenbar keine Evaluierung der "zivilgesellschaftlichen" Projekte des Auswärtigen Amts gibt, muss aber davor gewarnt werden, allein ein NGO-Netzwerk als Qualitätsziel festzulegen. Während sich das (im Verständnis anderer Länderkoordinatoren offenbar noch vorhandene) "Netzwerk" sich also eher "still und heimlich" in St.Petersburg trifft (schon 2002 war eine der Bedingungen der Putin-freundlichen Organisatoren: bitte keine Presse!), hat sich die konkrete Projektarbeit wieder fachlich sortiert: es werden wieder Spezialistentreffen bevorzugt. Interdisziplinäre Arbeit ist "out", "Expertenrunden" sind wieder "in".

Der Bürger als Experte
Dass gerade in diesen Tagen es erstaunlich viele - parallel zueinander organisierte - Treffen zu Ostseethemen gibt, ist vielleicht kein Zufall. Schon wenige Beispiele bestätigen diesen Trend: am 25./26.April lädt das Deutsche Auswärtige Amt zu einem Treffen mit NGOs unter dem Titel ein: >"Ausländische Agenten" oder "gemeinsamer humanitärer Raum"? – Erwartungen und Möglichkeiten der deutsch-russischen zwischengesellschaftlichen Zusammenarbei.< In diesem Fall muss aber nicht befürchtet werden, der Staat wolle mal wieder die NGOs (in Eingeladene und Nicht-Eingeladene) sortieren: einzelne Beteiligte, wie zum Beispiel der "Deutsch-Russische Austausch (DRA), organisieren ihre Diskussionen zum Thema terminlich unabhängig davon: "Russian civil society at risk –how can international solidarity be of help?" hieß es beim DRA am 10.April in Zusammenarbeit mit der Robert-Bosch-Stiftung (siehe Einladung). Eine Veranstaltung, die der DRA anbietet in seiner Funktion als deutsche Koordination des "EU RUSSIA CIVIL SOCIETY FORUM" (EU CSF). Wie es aussieht, funktioniert also der Meinungs- und Erfahrungsaustausch gerade mit Russland nicht mehr als "Ergänzung zur Ostseekooperation" (wo immer gerne dann, wenn sie grundsätzlich in Frage gestellt wird, die "wichtigen Gesprächsgrundlagen mit Russland" betont werden). Allerdings enthält sich auch das EU CSF jeglicher aktueller Stellungnahmen, weder zu Pussy Riot noch zur Durchsuchung von NGO-Büros wird hier also die Diskussion mit Argumenten und Fakten gefüttert. Damit muss wohl leben, wer mit Russland im Gespräch bleiben will bzw. dort Projekte betreibt.

Als Bereich mit dem sich vermeintlich "kein Geld
vedienen lässt" bisher eher klein gehalten, in Zukunft
dank deutsch-polnischer Initiative neuer Faktor der
Ostseekooperation: die KULTUR
Und auch bei anderen Themen scheint es so, dass viele nicht mehr auf ein interdisziplinäres NGO FORUM setzen, dass gleich den gesamten Ostseeraum abdecken kann. Ein vielfacher thematischer Schwerpunkt der Ostsee-NGO-Foren ist gerade im Begriff, zum eigenständigen Schwerpunkt innerhalb der EU Ostseestrategie zu werden. Am 18.April treffen sich in Berlin diejenigen, die dem Bereich KULTUR innerhalb der Ostseekooperation größere Bedeutung verschaffen wollen. Mit dem Bundesland Schleswig-Holstein im Rücken, einem der Bundesländer auf deren Schultern die Ostseekooperation auch in anderen Bereichen ruht, und mit der Initiative ARS BALTICA als Argument und Kommunikationsinstrument sieht es so aus, als ob Initiativen der Kulturpolitik im Ostseeraum ab jetzt in diesem Handlungsrahmen initiiert werden könnten. Auch polnische Stellen konnten für eine gemeinsame Initiative in diesem Bereich gewonnen werden.
Das könnte auf der einen Seite vielleicht nachteilig sein für viele kleine Kulturprojekte, die sowieso von EU-Geldern oder anderer großzügiger Unterstützung nur träumen können, also in diesem Rahmen auch nicht angesprochen werden. Aber um als Faktor in der politischen Diskussion wahrgenommen zu werden, ist es sicherlich gut, auf dieser Ebene gemeinsam Positionen und Stellungnahmen, vielleicht auch Projektinitiativen, vorantreiben zu können.

Eingeschränktes Selbstverständnis
Was also bleibt zu tun für Reste eines ehemaligen NGO-Ostseenetzwerks, das auf der Suche nach staatlicher Anerkennung seit einigen Jahren bereits vergessen hat, länderübergreifende Strategien zu entwickeln und Gemeinsamkeiten zu entwickeln, die als Hilfe für engierte Bürger hätten dienen können? Die gegenwärtigen NGO FOREN (wie gesagt, diese Woche in St.Petersburg) liefern da nur wenige bis gar keine Argumente. Wer als interessierter Bürger thematisch arbeiten oder sich engagieren will, bilaterale Schwerpunkte entwickeln möchte hat im Ostseeraum genug andere Alternativen zur Mitarbeit. Im Bereich Umwelt und im Bereich Jugend waren die hier aktiven Initiativen sowieso immer in ihren eigenen Netzwerken zusammengeschlossen (siehe Ostseejugendbüro bzw. Coalition Clean Baltic).  

"Nichtregierungsorganisationen sind eine Organisationsform, die Bürgern die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen ermöglichen. Dies hilft bei der Sicherung demokratischer Prinzipien, der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Meinungsbildung und gesellschaftlicher Standpunkte, der Vereinigung von Ressourcen und Einfluß auf entscheidungsbildende Prozesse. Nichtstaatliche Organisationen erfüllen eine Reihe von Funktionen, die wesentlich sind um die parlamentarischen demokratischen Prinzipien in der Gesellschaft möglichst breit zu verankern." Solche schönen Reden können sich diese Woche die Teilnehmer des "XI. Baltic Sea NGO Forums" anhören (sie stammen von in diesem Fall von Raimonds Vejonis, zur Zeit Präsident des "Baltischen Versammlung" (Organ der Zusammenarbeit der Parlamente Estlands, Lettlands und Litauens) und Vertreter des Rats der Ostseeparlamentarier (BSPC). Wie bei Vejonis lassen sich immer mal wieder Forderungen nach Erleichterung von Visaregelungen und Bereitstellung ausreichender Finanzen für die internationale Zusammenarbeit der NGOs nachlesen.
Dem steht die Realität gegenüber, dass Russland keinesfalls eine Ausnahme ist, wenn Regierungen sich gerne aussuchen, wer für Zusammenarbeit, Meinungsaustausch und "Teilhabe an Entscheidungsprozessen" als geeignet genug erscheint und wer nicht. Im Rahmen erprobter Diskurse und eingegrenzt von engen Rahmenbedingungen fallen diese Begrenzungen nur oft im "Westen" nicht so auf. Was Deutschland angeht, so stehen allgemeine Betrachtungen der Wissenschaft oder kommerziell ausgerichtete Aktivitäten der Wirtschaft aus Sicht der Regierungen immer noch weit über selbst organisierten Initiativen engagierter Bürgergruppen (das zeigt schon die Tatsache, dass sich Wissenschaftlergruppen oder Wirtschaftsorganisationen problem- und widerspruchslos als "NGOs" bezeichnen können).

Denn auch wenn nun "Kultur" als Schwerpunkt der EU-Ostseestrategie neu aufgenommen wird - die Förderung zivilgesellschaftlichen Aktivitäten genießt diesen Status noch immer nicht, und wird ihn auf absehbare Zeit auch nicht bekommen. Solange aber zivilgesellschaftliches Engagement nur nachrangig betrachtet wird - also Mittel um die öffentliche Akzeptanz politischer Entscheidungen zu erhöhen (oder auch nur Politikern die Möglichkeit zu schönen Reden zu geben - siehe Vejonis) wird die angebliche "Teilhabe" an diesen Entscheidungen nur eine Illusion bleiben. Da steht der Bürger und wartet drauf "beteiligt" zu werden - von denen, die wirklich Macht und Einfluß haben im Ostseeraum. Ein Recht, es umgekehrt zu machen, wird es auf absehbare Zeit nicht geben - also das Bürgergruppen sich zunächst selbst Aktivitäten und Projekte ausdenken, diese dann finanziert bekommen und ERST DANN Wissenschaft, Wirtschaft oder andere Interessengruppen beteiligen. Wer so denkt, wird wohl für verrückt gehalten oder gilt als Querulant.

Die FEMEN-Aktion auf Youtube
Das lettische Parlament zum NGO Ostseeforum 2013
Ostseetage Berlin 2012 (Programmheft) 
OSTEE NGO FORUM 2013
EU-RUSSIA CIVIL SOCIETY FORUM 
Deutsch-Russischer Austausch

5. Juli 2012

Verschärfung des NGO-Gesetzes in Russland

 DRA gegen Diffamierung russischer NGOs als „ausländische Agenten“

Der Deutsch-Russische Austausch protestiert gegen die erneute Drangsalierung der Zivilgesellschaft in Russland und ruft die russische Regierung dringend dazu auf, auf die geplanten Änderungen im föderalen Gesetz über Nichtkommerzielle Organisationen zu verzichten. Ein Gesetzentwurf der Regierungspartei Edinaja Rossija zielt unmissverständlich darauf, die Aktivitäten vom Staat unabhängiger und kritischer NGOs weiter zu erschweren und sie in der Gesellschaft in Verruf zu
bringen. Das Gesetz soll schon bis zum 18. Juli von beiden Parlamentskammern verabschiedet und kurz darauf von Präsident Putin unterzeichnet werden.

Vorgesehen ist ein Sonderregister für alle Non-Profit-Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten – egal ob von staatlichen Förderern, Stiftungen, Firmen oder privaten Spendern – und die zugleich „politisch tätig“ sind. Als politisch gilt dabei jegliche Aktivität, die Einfluss auf die öffentliche Meinung oder das Verhalten staatlicher Stellen nehmen will. Das geplante Gesetz diffamiert solche
Organisationen als „ausländische Agenten“ und verpflichtet diese sie, diese Bezeichnung in Publikationen und auf ihren Websites anzuführen. Zudem sollen sie vierteljährlich Finanzeinsicht gewähren und jährliche Audits durchlaufen müssen. Verstöße können mit mehrjähriger Haft und Geldstrafen bis 25.000 Euro geahndet werden.
Der Gesetzentwurf richtet sich nach Auskunft der Verfasser ausdrücklich gegen NGOs wie die bekannte Wahlbeobachtungsorganisation „Golos“ und die Antikorruptions-Organisation „Transparency International“. Als angebliche „ausländische Agenten“ stünden dann auch z.B. die Moskauer Helsinki-Gruppe, die meisten anderen Menschenrechts-NGOs und „etwa 70% aller Umweltorganisationen“ da – alle, die sich nicht „mit Kaninchenzucht oder dem Schutz seltener Arten“ befassen, bekannte ein Kreml-Vertreter gegenüber russischen Medien. Laut Entwurf könnte das Register aber auch viele andere Vereine, Bildungseinrichtungen, soziale Stiftungen und sonstige
Non-Profit-Strukturen bis hin zur Orthodoxen Kirche betreffen. Seine Definitionen sind weit genug gefasst, um jede gewünschte Willkür gegen Einzelne zu ermöglichen.
Der Text und die Hast, mit der er durchgesetzt wird, legen erneut den repressiven Charakter der Regierung unter Vladimir Putin offen. Nach der drastischen Verschärfung des Demonstrationsrechts im Juni ist dies der nächste Schritt, um jene veränderungswilligen Bewohner Russlands zu strafen und zu marginalisieren, die die Bürgerproteste nach den Duma-Wahlen mitgetragen haben und die für eine pluralistische, offene Gesellschaft eintreten. Es passt nicht in Putins Weltbild, dass sich Menschen aus Russland für ideelle und zugleich (auch von Russland) völkerrechtlich verankerte Werte einsetzen. Ihnen internationale Unterstützung vorzuwerfen, ist mindestens so lange doppelzüngig, wie ein solches Engagement innerhalb des Landes kaum Förderer findet, weil auch diese Förderer in Konflikt mit dem monopolistischen Staatsapparat geraten. Die Trennung von „gutem“ sozialem und „schlechtem“ gesellschaftspolitischem Engagement, die die russische Führung
zugrunde legt, ist widersinnig: Denn erst die Verbindung von beidem macht Bürgerorganisationen zu einem Motor für eine Vervollkommnung der Gesellschaft – sei es hinsichtlich der Lebensumstände Behinderter, des Schutzes von Wäldern und Flüssen, der Bildungsgerechtigkeit oder fairer, rechtsstaatlicher Wahlen.
Kritik innerhalb der Gesellschaft ist normal und nützlich, und die Fähigkeit, mit solchen Stimmen einen konstruktiven Dialog zu führen und ihre Kompetenz und ihren Gestaltungswillen zugunsten der Entwicklung des Landes nutzbar zu machen, ist ein Zeichen für die Stärke von politischen Systemen, für die Integration und Teilhabe ihrer Bürger.

Die Autoren des Gesetzentwurfes betonen, dass sie keinerlei Verbote, auch nicht von ausländischer Finanzierung, erlassen. Sie nutzen subtilere Mittel der Verfolgung: Verdrängung, Bürokratisierung, Diskreditierung. Die russische Führung erhöht damit einmal mehr den Emigrationsdruck für gebildete, kreative, aktive Bürger ihres Landes und verstärkt isolationistische, paranoide Entwicklungskonzepte. So unterminiert sie die europäische und internationale Zusammenarbeit in dem breiten Feld der Zivilgesellschaft und behindert das eigene Land auf dem Weg einer
Modernisierung.
Der DRA ruft die deutsche und europäische Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft dazu auf, sich öffentlich mit den NGOs in Russland solidarisch zu zeigen und ihr Gewicht in den Beziehungen zu Russland geltend zu machen, um für einen Verzicht auf die geplanten Neuregelungen einzutreten.
Berlin, den 5.7.2012

Erklärung des Deutsch-Russischen Austausch e.V. (DRA) anlässlich der geplanten Verschärfung des NGO-Gesetzes in Russland

Kontakt:
Deutsch-Russischer Austausch e.V., Badstr. 44, 13357 Berlin. Tel. 030-4466 80-0, Email >info@austausch.org< 
www.austausch.org

15. April 2012

Civil Society in the Baltic Sea Area under German rule: Guarded, censored, limited

Balance ruined

It could be the right time to celebrate: 11 years ago, March 2011 in Kopenhagen / Denmark, and May 2001 in Luebeck /Germany, NGOs from all member states of the "Council of the Baltic Sea States" (CBSS) gathered and discussed possible common aims and projects. At that time it wasn't sure at all, whether this kind of meetings would have a chance to be continued: the German CBSS-presidency seemed to be afraid of sharing decisions and organisation of these meetings with NGO-represenatives, and consequently 99% the "result" of the Luebeck meeting was made up in advance (= it was a hard stuff to propose any changes during the podium-discussions).
But times change:
Soon the "second-row" administrators, who in the German Foreign Office have to take care of the Baltic Sea Region (as this topic is not a priority in German politics at all) discovered the easy-going use of "symbol-policy": in the aftermath of the 2001-NGO-Forum, the Schroeder Government made sure that German NGOs participated also in the 2nd Baltic Sea NGO FORUM 2002 in St.Petersburg. German-Russian relations count high in Germany, and get much more media interest than all the rest of the Baltic Region.
But in the meantime a group of some 25 German NGOs took an own initiative, started with self-organised meetings, activities and website (see www.cbss-ngo.de). This "NGO Initiative Baltic Sea Co-operation" started with very concrete goals - and by comparing them to the reality today it is easy to understand why balances really are nothing but spoiled:

- to organise the network with other NGOs in the Baltic Sea Region
- to work for a common structure and rules for the co-operation
- to push views and demands of NGOs forward to the Council of Ministers (CBSS)
- to help other NGOs to get information about the network and about important NGO-activities in the whole region
- To raise the NGOs effectiveness and ability to act in the Baltic Sea Region

Observation more important than motivation? 

What happens 2012, the year of the ongoing German CBSS-presidency? The German Foreign Office had lost an interest in the uncalculable scene of countless Citizens Intiatives long time ago. And the so called "Baltic Sea NGO network" mutated into a bad copy of governmental administrators: most of the national coordinators of the network feel much more commitment towards official recognition than towards any of the national NGOs. Result: Both sides (government and national coordinators) want something to happen that "looks like" an NGO-meeting (of their own taste): smooth, quiet, without anything extraordinary happening.
Result: an NGO FORUM in frame of so called "Baltic Sea Days" (23.-25.April, Berlin - see programme). Those of the hand-selected NGOs who are invited to participate (just a selected part of them who are active in Baltic Sea Cooperation) will be just a false front for German Government's definition of brave NGOs: science and business (in the role of the "good guys").
It is not difficult to understand that science and business are the "better NGOs" in German understanding: both clearly are "non-governmental" and will assure the minimum of what Foreign Office needs for this short term interest in Baltic Sea Co-operation: MONEY and REPUTATION. This "German practice" shows that NGOs are not even required to attend an "NGO FORUM" - there is no common understanding, no common definition and no common law in the Baltic Sea States (on NGOs activities). An NGO-network - if it would have a more reliable base - would never have a common understanding, which could be similar in all CBSS-states. And for the EUs Baltic Sea Strategy encouragement of "Civil Society" is not topic at all! So why to discuss about this Strategy at all, not demanding support for Civil Society should be a seperate topic for the strategy? No, this will not happen so soon, and surely not in Berlin 2012. Better not so speak about it - and listen only to those selected speakers. Science will deliver some nice statistics about what the ruling class of politicians call "Civil Society"; people's activities will continue to be just object of scientists, but not partner.

Who cares?

So, who cares at all about this two days Berlin event? Who will notice in Germany that a Council of Baltic Sea States could improve opportunities for activities of Civil Society? May be the whole CBSS will soon disappear - like the Lithuanian presidency would have preferred in 2010. Germany and German Foreign Office - the second time after the Luebeck Conference in 2001 - will show how big the ignorance of politicians towards Civil Society is. All those people who are truly engaged in their projects, contacts and co-operation in the Baltic Sea Region have to summarize: We would have wanted it to be different.
Beside all this short time Berlin glamour their are projects of Citizen Initiatives, youngsters, engaged people. But politicians and governments seem to be very far from encouraging them. Some 200.000 Euro will be spend for just a nice show-up for those who like to pontificate. This money could be used better, that is the only result which seem to be sure. It has been used to pay two young acedemics for pumping up the  "German NGO Platform" just for some month, untill the German CBSS-presidency is over. The conclusion is very simply: IF giving money, why not for real NGO's projects?

11. Oktober 2011

Spaziergang mit lahmer Ente

Die Orientierung scheint schwierig: ist nun eigentlich Krise, oder nicht? Von der weltweiten Finanzkrise redet kaum noch jemand, aber die ungerechten Strukturen der Finanzindustrie beunruhigen immer noch ganz Europa. Diejenigen Politiker/innen, die immer noch so tun als ob alles in bester Ordnung sei, erleiden massiven Vertrauensverlust. Und diejenigen, die immer noch einseitig Vergünstigungen für die besser Gestellten verlangen, und dabei meinen einfach "durchregieren" zu können weil sie irgendwann mal demokratisch gewählt wurden, bekommen massive Akzeptanzprobleme beim Wählervolk.
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Ostseekooperation in der Krise?
Und was bekommen die interessierten Bürgerinnen und Bürger momentan im Ostseeraum geboten? Seit Juli 2011 steht die Arbeit im Ostseerat unter deutscher Präsidentschaft. Aber ebenfalls bereits seit ein paar Monaten amtiert der deutsche Außenminister nur noch auf Abruf: seine Partei stürzte bei mehreren Landtagswahlen in Deutschland weit unter die 5%-Hürde, auch der FDP-Parteichef heißt inzwischen nicht mehr Westerwelle, und mehrere FDP-Minister der Regierung Merkel wurden inzwischen ausgewechselt. "Guido wird nur noch ertragen, weil er so viel im Ausland ist wo ihn niemand mehr sehen muss" - dieser Spruch ist längst kein leise gesprochener Witz mehr.

Aber davon abgesehen: was gibt es Neues im Bereich der Zivilgesellschaft im Ostseeraum, also den gern mit dem Sammelbegriff "NGOs" bezeichneten Strukturen? Seit die litauische Präsidentschaft Anfang 2010 das NGO-Ostseenetzwerk beerdigen half, haben keine gemeinsamen Veranstaltungen der NGOs aller Ostseeanrainerstaaten mehr stattgefunden. Das deutsche Außenministerium scheint es wenig zu stören, schließlich wechselten die für die Kontakte zu den NGOs Zuständigen überaus häufig; wer Karriere machen wollte ging woanders hin, und auch wenn Zuständige sich monatelang krank meldeten fiel den übrigen für Nordeuropa zuständigen deutschen Beamten offenbar kein Informations- oder Aktionsdefizit auf. Anfang des Jahres 2011 überraschte die norwegische Präsidentschaft mit der Meldung, eine kleine Gruppe norwegischer NGOs habe die Durchführung eines Ostsee-NGO-Forums beantragt, die Finanzierung sei bewilligt worden, aber die Initiatoren hätten ihren eigenen Plan dann plötzlich wieder aufgegeben. Und plötzlich entfalten sich hektische Aktivitäten im Hintergrund: sollte Deutschland, unter dessen Ratspräsidentschaft 2001 die Idee der NGO FOREN geboren wurde, nicht einmal in der Lage sein irgendeine Aktivität zum Thema "Zivilgesellschaft" auf die Beine zu stellen?

Gesicht wahren - Gesicht zeigen
Ein beliebtes "Geheimrezept" wurde bemüht, das auch funktioniert wenn der Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisation von Amts wegen gar nicht gewollt ist: Geld. Das wird immer gern genommen, und in Zeiten der vergehenden und neu auftauchenden Krisen stehen diejenigen gern an den Geldausgabestellen Schlange, deren Wohlwollen mit Finanzen zu kaufen ist.

Maßnahme 1: Schmieren an den richtigen Stellen
Vom 24.-26.Oktober 2011 werden sich in Gdansk/Danzig wichtige Repräsentanten von Regierungen der Ostseeanrainerstaaten und der Wirtschaft unter der Überschrift "neue Ambitionen für den Ostseeraum" treffen. Laut Lexikon sind Ambitionen "ergeizige Zielsetzungen" - jedoch bei genauerem Hinsehen sind die Absichten zumindest  für den Bereich Zivilgesellschaft keineswegs ehrgeizig. Statt dessen wird aber großzügig Geld bereit gestellt: obwohl ein Dialog mit im Ostseeraum aktiven deutschen NGOs schon lange nicht mehr existiert, gibt das Auswärtige Amt mehrere Zehntausend Euro nur dafür aus, dass in Danzig sich vorzeigbare Figuren dafür hergeben, "Zivilgesellschaft" zu repräsentieren. Dafür werden extra mit Hilfe des Ostseerats-Sekretariats die Reste des seit zwei Jahren bankrotten Ex-NGO-Ostseenetzwerks zusammengekehrt und in gute Anzüge gesteckt: seht her, auch die deutsche Präsidentschaft ehrt die Zivilgesellschaft!

Der Gipfel der Scheinheiligkeit: NGO-Kooperation ohne NGOs
Wer bei diesem schönen Treiben nicht mitmacht, hat offenbar keine Chance. Im Gegenteil: mit der Behauptung, die Strukturen der Ostseekooperation von Nichtregierungsorganisationen müssten "restauriert" werden, werden noch einmal 150.000 Euro bereit gestellt.Wofür? Nein, nicht um die Arbeits- und Kooperationsmöglichkeiten der von Bürgerinnen und Bürgern initiierten Initiativen zu verbessern. Vielmehr wird eine Wissenschaftlergruppe der Humboldt-Universität Berlin beauftragt, auf die Schnelle (also noch während der deutschen Ostseeratspräsidentschaft) etwas einem NGO FORUM Ähnliches aus dem Hut zu zaubern - wiederum ohne auch nur eine einzige NGO direkt zu beteiligen. Termin und Themen werden vorgegeben und müssen akzeptiert werden.
Wer sich über solche Vorgehensweisen (man könnte es auch Ignoranz nennen) wundert, der erkundige sich bitte selbst: Anna-Lena Pohl, Forschungsgruppe Nordeuropäische Politik e.V., Telefon 030-41990890 / 0176-20081031, Email

Aber wundern Sie sich nicht, dass auch die etwa 200.000 Euro, die jetzt im Rahmen der deutschen Ostseeratspräsidentschaft für angebliche Belange der deutschen NGOs ausgegeben werden, garantiert keine Nachhaltigkeit haben werden: das Ende ist absehbar. Die Projektinitiatoren haben angekündigt, diese Rolle der "wissenschaftlich legitimierten Ersatz-NGO" nur bis zum August 2012 spielen zu wollen, und dann garantiert wieder aufzuhören. Warum? Wir ahnen es gemeinsam: dann ist das Geld alle, die sich jetzt so eifrig selbst für zuständig Erkärenden suchen dann andere Aufgaben, und vom Auswärtigen Amt wurde weder ein Konzept für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Aufgaben des Ostseerats noch für die Nachhaltigkeit der großzügig finanzierten Maßnahmen abgefragt. Das Auswärtige Amt scheint zum  Thema "Zivilgesellschaft" ein höchst taktisches Verhältnis zu haben: am 27.Juni wurde zu einem Gespräch mit Staatsminister Werner Hoyer nur eine einzige "NGO" eingeladen: die Europaunion (=international "Europäische Bewegung), von der offenbar mehr Partei-Kompatibilität erwartet wird, und die für diesen einen Tag auch brav mitspielte (Anfragen, ob das "Netzwerk Europäische Bewegung" beabsichtet nun doch Ostseeschwerpunkte zu entwickeln, sind zu richten an dessen Geschäftsführer Bernd Hüttemann).

Aber was soll's: auch beim Thema "EU Ostseestrategie" ist es nicht viel anders. Ein Kapitel "Zivilgesellschaft" sucht man in dieser Strategie vergebens. Jegliche Behauptungen der Einbeziehung von NGOs in Maßnahmen der EU-Ostseestrategie stellen also reine "Gnadenakte" derjenigen dar, die berechtigt sind Förderanträge zu stellen und sich mit den Ministerialbeamten auf Du und Du zu treffen. Und damit kommen wir zurück zum deutschen Außenminister. Schon Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: ein Einlassen auf eine Zusammenarbeit mit jemand, der bald nicht mehr im Amt sein wird, kann ja wohl nicht viel mehr als ein Spaziergang mit einer lahmen Ente sein.

Materialien: Arbeitsprogramm der deutschen Ostseeratspräsidentschaft

4. Juni 2010

Low interest for Summit of Baltic Sea States

Well, nobody could know that the German president would step down just last week. The German Government, meeting lot of other problems in home affairs, once again did not use many efforts to put a focus on Baltic Sea Affairs. "Chancellor Merkel participates in Baltic Sea summit", AFP was cited on 1rst of June. Interesting enough, the Russian RIAN was one of the first to announce the opposite news on the same day: "Merkel cancels trip to Vilnius".

Once again German ministers and politicians are occupied when all Baltic Sea States meet. Instead of the new EU Baltic Sea Strategy the stories about possible candidates for president make the headlines (like Spiegel online). The only article about the CBSS-meeting in German in these days publishes "der Merkur", a brandnew online-magazine, which seem to need advertising with the slogan "nothing gets lost with us".

No Baltic Priorities
But what really has been achieved in Vilnius? The German Foreign Office publishes just very general topics: strong will for "dynamic development of the Baltic Sea Region" really is no surprise. Minister of State Werner Hoyer stresses in his press release just three aims for the German interests:
- to strengthen the competetivness of the maritime industry and get more employment by economical groth
- to develop North Sea and Baltic Sea to secure seas untill 2020#
- to take responsibility for global ecological developments and support the efforts fighting climate change
Not very concrete conclusions, dear politicians! Nothing more than nice speeches. Why to ask all CBSS-states to meet, if you anyway don't have more need for urgent activities?

No aims, no visions
But may be we could have a look at the Final Declaration (see text here). But no one single measure to be taken is mentioned here! Everyone just congratulates eachother for "benefit from positive dynamics", "reducing unemployment, social exclusion and inequality" or "positive dynamics of socio-economic development". It sounds like all of this already is achieved - at least no concrete measures or necessary acticities are mentioned. But if this already is achieved: why to call this tiny paper "Vision for the Baltic Sea Region by 2020"? A really weak and unexiting paper. Dear CBSS, do you want to motivate people with this paper? Or is it not more like a justification why to use travel costs and business trips to Vilnius?

Dialogue with Civil Society? No way ...
The Final Declaration of the CBSS Vilnius Meeting says: "The Summit stated its conviction that the Baltic Sea Region, on the basis of ... active civil societies". How nice! If this years Baltic Sea NGO Forum should serve as a proof for this thesis - it would be just a good joke. Where are the "active civil societies", regarding the work of CBSS and EU Baltic Sea Strategy? Are representatives of NGO-networks integrated into the work of CBSS-workgroups? Or are they partners in setting the EU Baltic Sea Stratgegy into practice?

Poor image
Well, it seems one has to accept that Baltic Sea Cooperation does not have a positive image in nowadays Europe. Not among the politicians of Baltic Sea States - take the weak and meaningless Vilnius Declaration as an example. And not among EU-bureaucrats, as Civil Society is not taken as a serious partner for political strategies in the Baltic Sea Region.

Well, the CBSS-summit is over already. Who cares? The next one will not be earlier as in two years time. And where? In Germany! Please mark the date in your calendar, Ms chancellor! Next time will be not possible to escape!

22. Mai 2010

Lithuania: Let the CBSS die

At June 1-2th Vilnius will host the bi-annual Baltic Sea States Summit organized by the Council of Baltic Sea States. At the same time the Lithuanian CBSS Presidency (Council of Baltic Sea States) will end. What has it brought to the Civil Society?
Does the Baltic Sea NGO Forum have any future?
"I will not speak about any successes of the Lithuanian presidency", said ambassador Neris Germanas, one of the top Lithuanian diplomats at a recent seminar in Berlin. "There are so many international agreements, there is the Baltic Council, the Nordic Council, the Arctic Council, and soon Lithuania will have the presidency of the OSCE." - Lithuania, lost in cooperation? Could that be one reason, why this years Baltic Sea NGO Forum was organised in such lousy manner, changing the Baltic Sea Cooperation into a internal Lithuanian exercise on democracy?

"Well, it was discussed the CBSS might be dissolved," explains Mr Germanas, continuing in non-commenting the Lithuanian CBSS-chairmanchip. "We are only few people in the Foreign Ministry, and there are so many other councils and chairmanships. At the moment I am busy to prepare Lithuania's OSCE chairmanchip."

Busy diplomats, docile NGOs
But can it be true, that nobody uses any more time for the Baltic Sea Cooperation? Is the CBSS a "dead cow" (and as a consequence the NGO FORUM also?). As the new "Baltic Sea Strategy" of the European Union does not even mention the Civil Society, the focus turns back to the recent "NGO FORUM" in Vilnius (see previous post). Some results are very clear, and neither the "lithuanian working methods" nor the culture of discussions shows any more sign of democratic life.

The status of NGO-cooperation in short: 
1) the Lithuanian NGO FORUM was organised without the support of the national coordinators (Focal Points) of the previous NGO Baltic Sea Network (no wonder, if neither a preparation meeting were organized, nor the Focal Points could meet during the "NGO FORUM").
2) the workshops of the "NGO FORUM" were dominated by Lithuanian inner policy: just dozens of speeches, much focus on co-operation with Belorussia (a fouvorite field of activity, set by the Lithuanian Foreign Ministry) - but total absence of any exchange of experiences with NGOs from CBSS-countries. The Lithuanian Website promises even that there is a belorussian Focal Point of the Baltic Sea Network - a decision, solitary taken by the Lithuanian NGO Centre.
3) in consequence to the peculiar conference lead of the Vilnius NGO Centre (slogan: just don't meet the other colleagues, and you'll avoid the discussions) Lithuanian organisers wrote also the so called "resolution" of the "NGO FORUM" alone. As no meetings and discussions about it were possible during the conference, it was written and decided just by the NGO Centre after the Forum. This manner in fact weakens the seriousness of NGO-work and sets a big questionsmark at the seriousity of NGOs statements towards gonvernments and authorities.
4) All previous terms of co-operation among NGOs in the Baltic Sea Area were just ignored, and likely will not come back. As it was a NGO Centre itself, an institution claiming to work for the interests of NGOs, this value of self-organised and democraticly organised discussions and meetings will not come back so soon - not under the flag of CBSS (= massive loss of credibility).

No visions please, it's crisis!
Interesting enough, one had to travel to Berlin for more serious discussions on Civil Society in the Baltic Sea Region. "For realisation of the EU Baltic Sea Strategy we are orientating towards the future EU-presidencies," said Jean Marc Venineaux of European Commissions Regional Policy DG at the "Berlin European Academy" (EAB). The CBSS does not seem to play any role in this game. While Lithuania officially still welcomes Norway to follow the CBSS-presidency, this Norwegian CBSS-chair does not promise much more than perhaps some "business-trips to the Northern Neighbour" (financed by the hosts).
But listening ambassador Germanas' speech in Berlin carefully (link), even he just underlined the upcoming EU-presidences: 2011 Poland, 2012 Denmark, 2013 Lithuania. Will the Baltic Sea NGO Network recover? At the moment there are no signs for a positive development. "We have so many different NGOs in Lithuania, you know," explains Neris Germanas. "They need a strong lead. They all think they are important." (it is always nice if governmental officials explain about NGOs ...)
Thank you for the advice, Lithuania. Does hierarchy create democracy? I doubt. There are more "good arguments" to expect: due to economic crisis there will be no money left for supporting democratic developments and independent Citizens Initiatives. And soon the politicians again will blame Citizens for not showing any interest in elections, parliament, parties, and so on. A democratic society can not be created "top-down" (by decree of a government). If the freedom of discussion, the creative atmosphere of common visions are not allowed to grow, democracy is just an alibi. Even after 20 years of independence.

30. März 2010

BALTIC SEA NGO FORUM - Will Lithuania bring it to an end?

The collaboration between people never was easy. It always seems to be better to take care for one's own fate, for the individual welfare, or the rivalry between people with similar interests. It surely is a much nicer feeling just to be able "using one's own power" towards other people, than to use time and engery for informing people, involving others, encourage those having less knowledge, or empower new people with young and fresh ideas. 

Sorry to say, but I have no other choice. This so called BALTIC SEA NGO FORUM, which is going to happen in Vilnius at 16th and 17th of April 2010 (see announcement), has not much in common with previous successfull BALTIC SEA NGO FORA in other countries (see f.ex. BS NGO FORUM 2009 Denmark). Anyway, it may be the last ones of it kind: if organisations and intiatives, Citizen groups and action groups of Civil Society first will notice, that a conference is just organized to make a good image for the organisers, leave all the costs (international travel, accomodation, food) to be paid by participants, and use 0% energy on preparing proposals for a better support and concept for NGOs work in future - what sense it could have to join it?

Some key factors which characterize the upcoming "NGO-show" in Vilnius (and distinguish it from previous, successfull ones):

Unknown people prepare for unknown participants
--- the Focal Points (national co-ordinators) had no chance to participate in the preparation of the NGO FORUM Vilnius. After months of quietness and absence of any network communication the Vilnius NGO Centre announced some weeks ago suddenly, that there will be no preparation meeting at all. Given Reason: Problems of financing. No alternatives were seriously discussed, attempts in getting help by international foundations working in Vilnius were not supported by Lithuanian NGO Centre. Only alternative was an virtual discussion of just two hours, partly by skype and partly by Email, organised at one Friday afternoon. Even there only Focal Points of 4 countries participated with proposals and comments. But nevertheless: as the Vilnius NGO Centre seems to have got an order by Lithuanian Foreign Ministry to organize an NGO FORUM "cheap, quiet and comfortable", all problems were left without any attempts for common solutions. The "we-have-no-money-for it"-argument was followed 100% by the leaders of the Vilnius NGO Centre, who by the way never participated in any of the previous meetings of the NGO-Networks meetings of its Consultative Committee (which means = all Focal Points together). 
It means, as there will be no chance for a preparation meeting of the NGO Networks Focal Points before the Vilnius conference, this seems to be the end also of the Baltic Sea NGO Network. Why to run a network and to attempt exchanging views, experiences, viewpoints and oppinions and fight for a common concept, if it is possible that someone (with no responsibility towards the others) suddently can come and just say: ok, I'll overtake, I don't need the others at all. Our ministry finances only the NGO Centre, but not the work of the NGO Baltic Sea Network." Those, who do not want to join this "game", are just crossed out of the list (see Webpage of Vilnius Conference). Previously national NGOs had to send proposals and ideas to Focal Points for to get a place as participant of a BALTIC SEA NGO FORUM. This time it will be just online-registration, and even for this registration form every person could write whatever comes to one's mind: true and false stories, self.manifestations, nice sounding stories, or extreme claims and statements - no one will have time to care about it. Without effect, just adding a person to the number of partipants (organizers expect "more than 300"). "Paper doesn't blush" - if you know what I mean.

No one will know what NGOs really want
--- As we all know, it is not that easy to raise one's voice for NGOs interests. Who expects at all that critics towards single governmental institutions, actions for alternative lifestyle, fight against negative consequences of the globalisation of commercial interests, demonstrations against dangerous use of nuclear energy, insist in a social balance, or self confident fights for Human Rights or the Rights of Minorities? Who needs it? May be just those growing number of people who understand that its really important to take care also about the society in their own country, and the peaceful collaboration of Baltic Sea Countries. People who don't hesitate to mention "burning issues".
Well, is this going to happen in Vilnius? After this surprising negative Lithuanian coordination I don't expect more than "a conference of many speeches". The opportunity given will be (and the majority of participants will be just Lithuanians): hold a speech yourselves! (but short!) A wellknown concept of those, who try to avoid that people from different countries (and none of them has English as mother tongue) notice their problems to be very similar. It is surely a misunderstanding that the longer the speech will be (and the Lithuanian president promised to attend at least the opening!), the more important one's own organisation can feel. 

And what about the network? 
--- It is a clear misunderstanding of networking, using a network only in one direction: if needing help, everybody should join. But if others needs and requests need time and energy, than better to leave. If others have proposals, better not answer, or refuse. The real value of the so far existing Baltic Sea NGO Network was for the one part the inter-disciplinary work (to cooperate with people and experts from different fields, with different background), and for the other part the attempt to equal the opportunities for smaller as for bigger and stronger NGOs. As for representatives from NGOs with thousands of members, or single activists and individuals, all had a chance to join the network, to participate in workshops, in preparation meetings and in responsibilities. So far. The this years conference in Vilnius - which by the way will be very short, just some official speeches and one overnight stay - does not take this common values into account. 
And also another problematic structure is not understood: from the smaller and poorer countries view it could be understood as if all "people from the west" are just rich enough to cover costs and bring money to the poorer ones. But does money really mean everything? Are Civil Organisations in so called "rich countries" really so rich as they sometimes look like? What motivation have people in "older democracies" to be engaged in problems of society - are they perhaps just bored? The approach of the this years Vilnius conference seems to be: no, we do not invite you to our country; but IF you really want to come: pay everything by yourselves, and please leave even some money in our country. I am not sure whether this attitude will help to understand colleages and initiatives with possible similar interests better. A network which does not exchange views and oppinions, which never meets and - as a consequence - where even not the national coordinators know each other personally, this network is dead. Congratulations, Lithuania, this was done under your presidency!

What is coming up? A "no-future-in Europe-generation"? 
Well, one could say: a conference is just a conference. Like many others. And the next ones will come. But the second upcoming trend is the growing dominance of what is called "EU Baltic Sea Strategy".
It never was easy to get a BALTIC SEA NGO FORUM financed. It never was easy to organise it in a way not being "just another conference". But as the institutions of the European Union never took the activities of the BALTIC SEA NGO NETWORK very serious, NGOs will have to look carefully what really affects their work. Inspite a lot nice speeches of EU-officials, there is a total lack of a common concept how to support Civil Society in the Baltic Sea Region. Regulations and rules are different in all of the countries, the procedure how to register and how to manage a NGO is different in all CBSS-countries, even in EU-memberstates. Therefore it will not be possible to found an organisation with members in all countries of the Council of Baltic Sea States (CBSS). For near future all active and interested people will depend on very shortminded project support, like "Swedes this year support Estonia", Finland may be finance contacts to Russia for a while, or Russian sponsors finance one NGO-conference in Latvia (just examples). Germany? Oh, sorry, Germany was left out already long time ago. For Germany partners around Baltic Sea seem not much more than business contacts. Isn't it quite symbolic that Germany has taken responsibility for the field of tourism in frame of the EU's Baltic Strategy? Once again Germans will be just asked to travel to other countries for leaving some money there. But different cultures? Languages? Traditions? Lifestyles? Minorities? Different views and problems in other countries? The official's interest in a cooperation with Germany seems to be as low as the German governments interest in the Baltic Sea Region.
But such critical statements will be successfully avoided at the next Baltic Sea Conferences. As there will be no active Citizens left who work for independent and strong common representation of interests in the Baltic Sea Region. I am afraid the EUs Baltic Sea Strategy (see here) has totally forgot it, and the this years so called NGO FORUM will not be strong and powerful enough to change this tendency.

26. Oktober 2009

Wen interessiert noch die EU-Ostseestrategie?

Erste Hilfe oder letzte Rettung? 
Unter diesem Motto lud die Europäische Akademie Berlin (EAB) vom 20.-22.Oktober 2009 zu einem Seminar ein. Ist dies eine Fragestellung, die Ostseefreundinnen und -freunde ebenso stellen? Oder ist das Motto der öffentlichen Veranstaltung am 20.10. in der Euopäischen Akademie treffender, die schlicht von "Kaisers neuen Kleidern" sprach?

Nun, wer ist hier der "Kaiser"? Entweder könnte die EU gemeint sein - mit ihrer für manche als schier unzugänglich erscheinenden Bürokratie. Oder es sind die nationalen Regierungen - die sich ein "Argumentationsmäntelchen" scheinbarer Aktivität umhängen.

Die Ostseestrategie der Europäischen Union bezeichnet die erste regionale Strategie der EU, die während der laufenden EU-Präsidentschaft Schwedens beschlossen werden wird. Mit ihr sollen "Probleme der Ostseeregion identifiziert und in konzertierter Aktion gelöst werden" (so formuliert es Dr. Carsten Schymik von der Stiftung für Wissenschaft und Politik SWP, der an der Diskussion in der EAB teilnahm).
Aber sind es denn so neue Erkenntnisse, wenn wieder einmal die Probleme zunehmender Verkehrsströme, die überregionalen Umweltfragen, die zivile Sicherheit und dann noch - natürlich - die Förderung der Wirtschaft als besonders dringlich benannt werden? Keines dieser Themen taucht ja nur in der Ostsee auf, im Gegenteil: wovon die ganze Welt redet, lohnt es sich, dies in der Ostsee regional begrenzt zu wiederholen?

Global denken, lokal handeln, so hieß es einmal. Aber viel wahrscheinlicher scheint mir, dass Ziel dieser neuen "Strategie" weniger die politische Umsetzung, als vielmehr das Zurechtbiegen EU-kompatibler Strukturen sein soll und wird. Nicht umsonst wurde im Zuge der Diskussion um den Strategieentwurf vielfach auch schon die Abschaffung des Ostseerats (Rat der Ostseeanrainerstaaten, gegründet 1992) verkündet - oder zumindest für sehr wahrscheinlich gehalten. Auf der Veranstaltung der EAB in Berlin war davon nun nicht mehr die Rede. Was hat sich geändert?

Alles klar - und nichts verstanden?
Die Beiträge der EAB-Podiumsdiskussion hörten sich allesamt eher so an, als ob alle Ostsee-Interessenten die größte Lust an "altem Wein in neuen Schläuchen" empfinden würden (der wird schließlich mit längerer Lagerung immer besser, wenn er nur unangetastet bleibt!).
"Die Ostseestrategie ist auch eine Übernahme dessen, was die HELCOM (Helsinki Kommission, zwischenstaatliche Kommission zum Schutze der Meeresumwelt im Ostseeraum) als Aktionsprogramm bereits längst beschlossen hat - so Dr. Schymik. Schließlich wurde das sogenannte "Helsinki-Abkommen" bereits 1974 beschlossen, trat 1980 in Kraft, wurde 1992 als neue Konvention gezeichnet, trat dann 2000 endgültig in Kraft und wurde 2003 noch einmal durch die Formulierung von Prioritäten verdeutlicht. Was sollte eine "EU-Ostseestrategie" da schon daran ändern? Zumindest verraten alle Texte von Seiten der EU dies nicht.

Oder ist es vielleicht das besondere Verhältnis zu Russland? Diskussionsteilnehmer Dr. Mart Laanemäe, seines Zeichens Botschafter Estlands in Berlin, wurde in der EAB danach gefragt. Aber was Moderator Prof. Stratenschulte da praktizierte, ist ja weit davon entfernt politische Praxis in Deutschland und in Berlin zu sein - es könnte eine neue "Traumrolle" Estlands sein, nach den Erfahrungen mit Russland gefragt zu werden, wenn deutsche Politiker/innen erst mal nachdenken und zuhören wollen, bevor sie (in "Schröder-Manier") Sondervereinbarungen nur mit Russland treffen und sich selbst noch mit hoch bezahlten Posten bescheren.
Zwei Thesen bezüglich Russland machten die Runde: entweder müsse Russland in die Ostseepolitik in einer Weise einbezogen werden, dass "die Zentrale" (in Moskau) es nicht richtig bemerkt (es nicht allzu ernst nimmt) - auf diese Art und Weise sei schon so manches Abkommen und so manches Projekt im Ostseeraum erfolgreich umgesetzt worden.
Oder - geradezu konträr dazu - Ostseekooperation müsse so betrieben werden, dass in erster Linie gerade Russland mit einbezogen wird, da nur so der Sache politisches Gewicht und Durchsetzungskraft verliehen werden könne.
Diesen "Richtungsstreit" sah Laanemäe aus estnischer Position um eine einiges pragmatischer. "Es ist schon immer schwer gewesen, zu prognostizieren was in Russland passieren wird", so der Este. Das schwang so ein wenig zwischen "in und mit Russland müssen wir immer mit allem rechnen" und "Russlands Strategie ist es, unberechenbar zu sein". Aber es wurde auch nicht ansatzweise deutlich, was die EU-Ostseestrategie hier zu ändern in der Lage wäre.

Und was bringt's uns?
Und die Bürgerinnen und Bürger? Was könnten die von einer geänderten oder gar neu erfundenen EU-Ostseestrategie haben? Nimmt man die Diskussion in der Euopäischen Akademie als Beispiel, ist das ein ziemlich abwegiges Thema.
Für Dr. Rainer Kosmider, seines Zeichens zuständig für europäische und auswärtige Angelegenheiten in der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern, ist das Thema für die Öffentlichkeit offenbar bereits abgearbeitet. "Wir haben im Zuge der Vorbereitung der Ostseestrategie umfangreiche Anhörungen gehabt."
Ja, noch immer wundern sich Menschen, wie schnell das gehen kann mit der "Bürgerbeteiligung". Stimme bei Wahlen abgegeben? Ja, dann handeln die so Gewählten auch in Deinem Sinne! Einspruchs- oder Eingabefrist verpasst? Ja, dann ist in der Folge jedes ordnungsgemäß aufgestellte Projekt automatisch "im Gemeinsinn beschlossen".
Da ändert die deutsche Parteiendemokratie nichts daran: auch der zur Diskussion eingeladene Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin (nicht verwandt oder verschwägert, wie betont wurde, sondern Mitglied von Bündnis 90/ die Grünen) musste zugeben, dass die eigene Fraktion nur äußerst selten über die Ostseeregion diskutiert. Auch mit neuer EU-Strategie wird sich das offenbar kaum ändern.

Was ändert sich also konkret für diejenigen, die sich ganz persönlich für die Ostsee interessieren, vielleicht um ihren Zustand besorgt sind, sich um zwischenstaatliche oder fachliche Kontakte bemühen, oder besorgt sind um das, was die Politiker und Entscheidungsträger im Ostseeraum so zu beschließen geruhen? Offenbar kaum etwas. Erste Hilfe oder letzte Rettung? Die Veranstaltung in der Europäischen Akademie hiniterließ den Eindruck, dass es der Ostsee so gut oder so schlecht gehen mag wie auch immer - für Politiker oder andere Entscheidungsträger selbst scheint weder das eine noch das andere (weder Hilfe noch Rettung) rechtzeitig eingeplant zu sein.
Diejenigen, die schon ein paar Schritte weiter sind und auch ohne EU-Strategie etwas tun wollen, müssen sich wohl weiterhin eher andere Wege suchen.

6. Oktober 2009

Aufklärung der politischen Morde – Für ein rechtsstaatliches Russland!

Gemeinsame Erklärung
russischer und deutscher Nichtregierungsorganisationen zum dritten Jahrestag der Ermordung von Anna Politkowskaja -

Vor drei Jahren, am 7. Oktober 2006, wurde Anna Politkowskaja in Moskau ermordet. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Freisprüche von mutmaßlichen Mittätern sind aufgehoben und neue Ermittlungen angeordnet worden. Der mutmaßliche Mörder ist auf der Flucht; seine Auftraggeber sind unbekannt.

Heute müssen wir feststellen, dass Anna Politkowskajas Tod nur der Beginn einer neuen Serie von politischen Morden war:

21.11.2007: Attentat auf den Journalisten und Menschenrechtsverteidiger Farid Babajew, der am 23.11.an den Folgen des Attentats verstirbt.

31.08.2008: Der Journalist Magomed Jewlojew wird im Polizeigewahrsam erschossen.

19.01.2009: Auf offener Straße in Moskau werden der Rechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasija Baburowa ermordet.

15.07. 2009: Die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa wird erschossen.

11.08.2009: Die Leiterin einer Hilfsorganisation für Kinder und Jugendliche, die in den tschetschenischen Kriegen verletzt wurden, Sarema Sadulajewa und ihr Ehemann werden ermordet.

Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Alle Fälle sind weder umfassend aufgeklärt noch geahndet.

Alle Mordopfer hatten eines gemeinsam: Sie haben sich für ein gerechtes und friedliches Gemeinwesen engagiert. Als Journalisten, Anwälte, Menschenrechtlerinnen. Gegen die Interessen der Mächtigen, Gewalt und Willkür. Deswegen haben sie Todesdrohungen erhalten. Alles spricht dafür, dass sie deswegen hingerichtet worden sind. Sie strebten nicht danach, zu Helden zu werden. Ihre Mörder haben sie zu Märtyrern des Kampfes um den Rechtsstaat gemacht.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, versprechen, dass wir nicht aufhören werden, uns für die Werte und Ziele einzusetzen, denen sich die Ermordeten verpflichtet fühlten. Die politischen Morde müssen beendet und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Dafür werden wir gemeinsam – jeder an seinem Ort – eintreten. Diese Arbeit kennt keine Grenzen. Wir sind Gleichgesonnene und Verbündete in unserer Arbeit für die Menschenrechte. Wir unterstützen einander und treten solidarisch für den Schutz derer ein, die heute Hilfe bedürfen.

Das ist unsere Antwort auf die brutale Gewalt, deren Opfer wir heute beklagen.

Moskau und Berlin, am 6. Oktober 2009


Russische Nichtregierungsorganisationen:
Menschenrechtszentrum Memorial
Internationale Gesellschaft Memorial
Komitee Zivile Unterstützung
Zentrum zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten
Stiftung „Public Verdict“
Zentrum für Information und Analyse „Sowa“
Youth Human Rights Movement
Moskauer Helsinki-Gruppe
Allrussische Bewegung „Für Menschenrechte”

Deutsche Nichtregierungsorganisationen:
Aktion Sühnzeichen Friedensdienste e.V.
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Deutscher Anwaltverein e.V.
Deutsch-Russischer Austausch Berlin e.V., Berlin
Europäischer Austausch gGmbH
Memorial Deutschland e.V.
Reporter ohne Grenzen e.V.
Journalistenverband Berlin-Brandenburg - Landesverband des DJV

16. Juli 2009

zum Mord an der russischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirova

Wir geben an dieser Stelle eine Erklärung des "Deutsch-Russischen Austausches" DRA wieder. DRA engagiert sich im Ostseeraum besonders bezüglich von Erfahrungsaustausch und Verständnis zwischen Deutschland und Russland.

Rechtsachtung und kritische Öffentlichkeit durchsetzen
Erklärung des Deutsch-Russischen Austausch e.V. Berlin (DRA) zum Mord an der russischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirova

Der Deutsch-Russische Austausch Berlin (DRA) ist erschüttert über den brutalen Mord an der russischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirova. Die 50-jährige Historikerin und Mutter einer Tochter im Schulalter ist zynisch entführt und hingerichtet worden. Mehrfach hatte sie zuvor Morddrohungen wegen ihrer unerschrockenen Arbeit für die Aufklärung von Verbrechen in Tschetschenien erhalten – darunter persönlich vom Präsidenten der Republik, Ramsan Kadyrov.

Einmal mehr zeigt dieser Mord, wie weit Russland noch von jener „Überwindung des Rechtsnihilismus“entfernt ist, die Präsident Dmitrij Medvedev proklamiert hat. Dies gilt insbesondere für einige Republiken, die wie Tschetschenien mit Duldung und teilweise aktiver Unterstützung der russischen Führung von Quasi-Diktatoren beherrscht werden. Der Umgang mit dem Mord und seine Aufklärung werden deshalb erweisen, wie ernst es Medvedjev mit seinem Ziel ist.

Medvedjev hat gestern richtigerweise die Kontrolle über die Ermittlungen der russischen Generalstaatsanwaltschaft übertragen. Doch dies genügt nicht. In der traurigen Reihe politischer Morde in Russland hat dies praktisch nie zur Aufklärung der Hintergründe und zur Überführung der Täter und Auftraggeber geführt.

Letztlich geht es nicht allein um die konkrete Aufklärung und Bestrafung individueller Täter, sondern um systematische Veränderungen in Staat und Gesellschaft: Es muss eine Priorität der russischen Staatsführung werden, die Menschen- und Bürgerrechte in den Behörden und Sicherheitskräften aller Ebenen und Regionen, in der Alltagskultur und im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Menschenrechtsaktivisten wie Natalja Estemirova wären bei der Verwirklichung dieses Ziels die natürlichen und besten Partner.

Auch der Mord an Estemirovas bekannter Kollegin in der Zeitung Novaya Gazeta, der Journalistin Anna Politkovskaja, fiel 2006 mit einer Tagung des „Petersburger Dialogs“ – des jährlichen Treffens der deutschen und russischen Gesellschaft – und den deutsch-russischen Regierungskonsultationen zusammen. Damals war der amtierende Präsident Putin zu schwach und zu feindselig, wenigstens nach ihrem Tod die wichtige Rolle anzuerkennen, die seine Kritikerin für Russland gespielt hat. Die Hinterleute des Mordes sind bis heute nicht aufgedeckt.

Umso wichtiger ist es, dass der gegenwärtig in München tagende „Petersburger Dialog“ sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Medvedev auf den heutigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen diesmal klare Worte finden. Der Mord an Natalja Estemirova muss ohne Tabus diskutiert werden als klares Zeichen für ein grundsätzliches Defizit an Rechtsachtung und an Selbstverständlichkeit kritischer Öffentlichkeit in Russland und als Aufforderung, dieses Defizit zu bekämpfen.

Der DRA Berlin teilt die Trauer mit seinen Partnern und Freunden in Russland, besonders den Kollegen der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, für die Natalja Estemirova seit 2001 tätig war und mit der der DRA zurzeit ein Zentrum zur Unterstützung von Kleinunternehmen und ethnische Verständigung in der nordkaukasischen Teilrepublik Nordossetien aufbaut. Beim Begräbnis ihres im Januar ermordeten Kollegen, des Menschenrechtsanwalts Stanislav Markelov, hatte Natalja Estemirova gesagt: „Die größte Frage ist jetzt, wer seine Arbeit fortführen wird. Aber ich bin sicher: Er hat eine ganze Gruppe von guten Anwälten in Tschetschenien herangebildet – sie werden die Arbeit übernehmen.“

Der DRA hofft und ist sich sicher, dass es trotz aller Gewalt immer weiter mutige Menschen geben wird, die sich für die Belange der Menschen- und Bürgerrechte einsetzen werden. Für diese Menschen empfinden wir große Achtung. Wir werden sie weiter nach Kräften in ihrer Arbeit unterstützen.

Kontakt:
Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Badstr. 44
13357 Berlin
Tel.: 030/446680-0

Further information in English